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Ressourcenaktivierung

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Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Positiven Psychologie und des Ressourcenkonzepts von Grawe (1995, 1997) ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt der Ambulanz für Forschung und Lehre die Entwicklung und Überprüfung ressourcenaktivierender Interventionen und Konzepte. Wir untersuchen in der Forschungsambulanz zum einen das Ressourcentagebuch, eine ressourcenaktivierende Schreibintervention, sowie die Ressourcenaktivierung und –realisierung bei pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz.

Darüber hinaus ist Ressourcenaktivierung ein fester Bestandteil der an der Ambulanz für Forschung und Lehre durchgeführten Psychotherapien und Supervisionen. Therapeutisch richten wir den Fokus auf die vorhandenen Stärken, Potentiale und positiven Aspekte der Patienten, mit dem Ziel symptombezogene Interventionen zu ergänzen und ein Gleichgewicht zwischen Defizitorientierung und Ressourcenorientierung herzustellen: „Build-what’s-strong“ als Ergänzung zum traditionellen „Fix-what’s-wrong“.

Das Ressourcentagebuch – Eine ressourcenaktivierende Schreibintervention

An der Ambulanz für Forschung und Lehre untersuchen wir die Wirkung eines neu entwickelten Ressourcentagebuchs (Wilz, Risch, & Töpfer, 2017) auf Stimmung, Emotionsregulation und Ressourcenrealisierung bei unseren Ambulanzpatienten.

Psychologische Schreibinterventionen bestechen allgemein dadurch, dass sie a) leicht umsetzbar sind, da sie lediglich erfordern, dass man schreiben kann, b) gut ankommen, da die meisten Teilnehmer berichten, dass ihnen die Intervention gefiel und sie diese hilfreich bewerten, sowie c) zeit- und kosteneffizient sind, da sie von den Teilnehmern selbstständig durchgeführt werden und trotz größtenteils kurzer Dauer positive Effekte erzielen.

In der Forschung zu psychologischen Schreibinterventionen hat sich ein Wandel von einem Fokus auf negative emotionale Erfahrungen (expressives Schreiben) hin zum Schreiben über positive emotionale Erfahrungen (positives Schreiben) vollzogen, da letztere vergleichbare bzw. zum Teil sogar bessere Effekte erzielen, ohne negative Gefühle zu erzeugen („gain without pain“).

Das Ressourcentagebuch wurde als Schreibintervention zur Ressourcenaktivierung entwickelt. Im Unterschied zu bisherigen positiven Schreibinterventionen, deren Fokus überwiegend auf einzelne Ressourcen gerichtet ist, verfolgt das Ressourcentagebuch einen umfassenderen integrativen Ansatz zur Aktivierung einer Vielfalt an Ressourcenbereichen. Das Ressourcentagebuch besteht aus 12 Fragen, die 7 Ressourcenbereichen zugeordnet sind (Wohlbefinden, Allgemeine Kraftquellen, Selbstwertquellen, Positive Selbstschemata, Dankbarkeit, Zielentwicklung, Bindung). Eine Frage lautet z.B.: Was hat Ihnen heute Kraft gegeben? Woran konnten Sie das merken? Bitte beschreiben Sie Ihre Gedanken und Gefühle!). Die 12 Fragen werden über den Zeitraum von 4 Wochen an drei Tagen pro Woche schriftlich beantwortet.

  • Studie 1: Das Ressourcentagebuch als Nachsorgeangebot

    Arbeitsgruppe: Dr. Anne Katrin Risch, Prof. Dr. Gabriele Wilz, Miriam Pint, B.Sc, Marlene Suhr, M.Sc

    Laufzeit: 02/2011 – 12/2017

    Bei Patienten mit affektiven Störungen und Angststörungen bleiben häufig auch nach einer therapeutischen Behandlung Schwierigkeiten in der Emotionsregulation und Ressourcenrealisierung bestehen, wodurch das Risiko für Rückfälle erhöht ist. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen dieser Studie zum therapeutischen Schreiben untersucht, ob das Ressourcentagebuch im Anschluss an eine Psychotherapie in unserer Ambulanz bei Patienten mit affektiven Störungen und Angststörungen zu einer Verbesserung der Stimmung, der Emotionsregulation sowie der Ressourcenrealisierung führt.

    76 Patienten wurden randomisiert entweder der Interventionsgruppe (n = 43) oder der unbehandelten Kontrollgruppe (n = 33) zugeordnet. Die Ergebnisvariablen wurden jeweils vor und nach der Intervention sowie zu einem Follow-Up nach sechs Monaten mit Fragebögen erhoben.

    Zum Interventionsende zeigte sich eine deutliche Stimmungsverbesserung sowie eine signifikant häufigere Anwendung der Emotionsregulationsstrategie Neubewertung in der Interventionsgruppe. Neubewertung stellt eine funktionale Emotionsregulationsstrategie dar, welche die Generierung wohlwollender oder positiver Interpretationen einer belastenden Situation beinhaltet und dadurch positive emotionale und physiologische Prozesse aktiviert sowie stressreduzierend wirkt.

    Zusammenfassend geben die Ergebnisse Hinweise darauf, dass das Ressourcentagebuch eine gesundheitsförderliche Wirkung für Patienten nach ambulanter Psychotherapie erzielen und dadurch die Rückfallwahrscheinlichkeit nach Ende der Psychotherapie senken kann.

    Aktuell wird das Ressourcentagebuch als Nachsorgeintervention speziell bei Patienten im höheren Lebensalter (ab 60. Lebensjahr) untersucht.

  • Studie 2: Das Ressourcentagebuch vor Beginn einer Psychotherapie

    Arbeitsgruppe: Nils Töpfer, M.Phil M.Sc, Bettina Kuntz B.Sc, Julia Morach B.Sc, Dr. Anne Katrin Risch, Prof. Dr. Gabriele Wilz

    Laufzeit: seit 08/2017 – 08/2019

    Angesichts längerer Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz stellt sich die Frage, wie sich unvermeidliche Wartezeiten für Patienten sinnvoll gestalten lassen. Um Patienten in ihrer Entscheidung für eine Therapie zu bekräftigen und gleichzeitig ihre Eigenverantwortung zu fördern, haben wir Patienten unserer Ambulanz das Ressourcentagebuch als niedrigschwellige Selbsthilfeintervention zur Ressourcenaktivierung vor Therapiebeginn angeboten.

    In einer gerade abgeschlossenen Studie wurden N = 60 Patienten, die auf einen ambulanten Therapieplatz warteten, randomisiert entweder der Interventionsgruppe (N= 30) oder einer unbehandelten Kontrollgruppe (N=30) zugeordnet. Die Probanden der Interventionsgruppe führten über vier Wochen an drei aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche das Ressourcentagebuch. Zum Prä- und Post-Messzeitpunkt füllten die Teilnehmer der Interventions- und der unbehandelten Kontrollgruppe Fragebögen zum psychologischen Wohlbefinden, zur Ressourcenrealisierung, allgemeinen psychischen Symptombelastung, Depressivität, Emotionsregulation und Selbstwirksamkeitserwartung aus.

    Zum Interventionsende wiesen die Wartelistenpatienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollbedingung deutliche weniger depressive Symptome, eine geringere allgemeine psychische Belastung, eine bessere Ressourcenrealisierung, höhere Selbstwirksamkeit, bessere Emotionsregulation und ein besseres psychisches Wohlbefinden auf.

    Zusammenfassend geben die Ergebnisse Hinweise darauf, dass das Ressourcentagebuch eine vielversprechende und effektive Intervention zur Überbrückung der Wartezeit ist.

  • Publikationen

    Wilz, G., Risch, A.K. & Töpfer, N.F. (2017). Das Ressourcentagebuch – Eine ressourcenaktivierende Schreibintervention für Therapie und Beratung. Heidelberg: Springer.

    Suhr, M., Risch, A.K. & Wilz, G. (2017). Maintaining mental health through positive writing: Effects of a resource diary on depression and emotion regulation. Journal of Clinical Psychology, 73(12), 1586-1598.

    Töpfer, N.F., Altmann, U., Risch, A.K. & Wilz, G. (2015). Examining explanatory mechanisms of positive and expressive writing: Towards a resource-oriented perspective. Journal of Positive Psychology, 11(2), 124-134.

    Risch, A.K. & Wilz, G. (2013). Ressourcentagebuch: Verbesserung der Emotionsregulation und der Ressourcenrealisierung durch therapeutisches Schreiben im Anschluss an eine Psychotherapie- eine Pilotstudie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 42(1), 1-13.

Ressourcenaktivierung und –realisierung bei pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz: Ergebnisse aus dem Projekt „Tele.TAnDem.Transfer“

Arbeitsgruppe: Nils Töpfer, M.Phil M.Sc, Prof. Dr. Gabriele Wilz

Laufzeit: Seit 05/2012

Pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz sind mit äußerst belastenden Anforderungen und Lebensveränderungen konfrontiert, die oftmals erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität haben. Ihnen mangelt es häufig an Selbstfürsorge, ausgleichenden Aktivitäten sowie an Unterstützung. Die manualisierte telefonische Therapie für Angehörige von Demenzerkrankten (Tele.TAnDem, Wilz, Kalytta & Schinköthe, 2015) verfolgt u.a. die Ziele, Ressourcen zu (re-)aktivieren, um Stressbewältigung und Wohlbefinden zu verbessern und die Inanspruchnahme sozialer Unterstützung zu erhöhen.

Ressourcenaktivierung stellt in Tele.TAnDem eine übergeordnete Interventionsheuristik dar. Statt eines einzelnen Moduls zur Ressourcenaktivierung gibt es im Manual vielfache Bezüge zur Ressourcenorientierung als Interventionsleitbild, d.h., sich an den vorhandenen Stärken und Potenzialen von pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz zu orientieren und ihnen immer wieder zu ermöglichen, sich als kompetent und handlungsfähig zu erleben. Dazu gehört die komplementäre Beziehungsgestaltung, die speziell auf die motivationalen Ziele des jeweiligen pflegenden Angehörigen abgestimmt wird, ebenso wie die therapeutische Haltung, die Angehörigen prinzipiell als die Pflegeexperten zu betrachten und ihre Leistungen wertzuschätzen und zu validieren. In den verschiedenen Modulen tauchen ressourcenaktivierende Strategien in Form von ressourcenaktivierenden Fragen auf, z.B. zum Aufbau selbstfürsorglicher, werteorientierter ausgleichender Aktivitäten für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden („Was sind wichtige Bedürfnisse in Ihrem Leben?“) und zur (Re-) Aktivierung von Ressourcen, um die Auseinandersetzung mit belastenden Gefühlen und Erfahrungen zu erleichtern („Welche Gedanken oder Gefühle geben Ihnen Kraft/helfen Ihnen mit Ihrer Situation besser zurechtzukommen?“).

Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob sich die Ressourcenrealisierung der pflegenden Angehörigen auf den drei Skalen Wohlbefinden, Stressbewältigung und soziale Unterstützung des Fragebogens zur Erfassung der aktuellen Ressourcenrealisierung (modifiziert nach Trösken, 2002) im Rahmen einer telefonbasierten Intervention verbessert. Die Intervention umfasste 12 Sitzungen à 50 Minuten. Die pflegenden Angehörigen wurden randomisiert entweder der Interventionsgruppe (n=139) oder einer unbehandelten Kontrollgruppe (n=134) zugewiesen.

Es zeigte sich in der Interventionsgruppe zum Postzeitpunkt eine signifikant höhere Realisierung von Ressourcen für Wohlbefinden und Stressbewältigung im Vergleich zur Kontrollgruppe. Interventionseffekte auf die Realisierung von Ressourcen für soziale Unterstützung waren zum Postzeitpunkt marginal signifikant größer, je mehr soziale Ressourcen Teilnehmer der Interventionsgruppe bereits vor der Intervention nutzten.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Tele.TAnDem erfolgreich die Ressourcenrealisierung der pflegenden Angehörigen erhöht. Ressourcenrealisierung führt der Theorie zufolge zu einem Kongruenzerleben im Hinblick auf die motivationalen Ziele. Vor diesem Hintergrund untersuchten wir weiterführend die Hypothese, dass die Verbesserung der Lebensqualität der pflegenden Angehörigen durch Tele.TAnDem, auf die Verbesserung der Ressourcenrealisierung zurückgeht. Die Ergebnisse der Mediationsanalysen bestätigen die Hypothese: Treatmenteffekte auf die psychische Lebensqualität wurden signifikant durch die Realisierung von Ressourcen für Wohlbefinden mediiert; Treatmenteffekte auf die physische Lebensqualität und die Globalbeurteilung durch die Realisierung von Ressourcen für Wohlbefinden und Stressbewältigung.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse die große Bedeutung von Ressourcenaktivierung als zentralem Wirkfaktor in der psychotherapeutischen Unterstützung von pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz.

  • Publikationen

    Wilz, G. & Pfeiffer, K. (2019). Pflegende Angehörige. Göttingen: Hogrefe

    Töpfer, N. F., & Wilz, G. (2018). Tele.TAnDem Increases the Psychosocial Resource Utilization of Dementia Caregivers. GeroPsych31(4), 173-183. https://doi.org/10.1024/1662-9647/a000197Externer Link

    Wilz, G., Schinköthe, D., & Kalytta, T. (2015). Therapeutische Unterstützung für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz. Das Tele.TAnDem- Behandlungsprogramm. Göttingen: Hogrefe.